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Wohin Du Willst

Werbebild der App Wohin du Willst: Im Hintergrund ein Mann an einer Straße, der an seinem Handy tippt. Vorne ein Mockup der App un der Text: Deine Region. Deine App. Dein Ticket."

Im Landkreis Cham benötigen die Bürger:innen zur Nutzung des ÖPNV nur noch eine App: Mit der Anwendung “Wohin Du Willst” können Verbindungen gesucht, Echtzeitdaten angezeigt und Tickets gekauft werden. Zukünftig soll die Anwendung mit dem Tourismusangebot des Landkreises verzahnt werden.

Im Landkreis Cham benötigen die Bürger:innen zur Nutzung des ÖPNV nur noch eine App: Mit der Anwendung “Wohin Du Willst” können Verbindungen gesucht, Echtzeitdaten angezeigt und Tickets gekauft werden. Die App ist ein Angebot der Deutsche Bahn Regio AG und eng an den “DB Navigator” angelehnt. Seit 2017 wird sie in mehreren Landkreisen pilotiert und um neue Funktionen erweitert. Über geförderte Modellprojekte steht der Landkreis Cham an der Spitze dieser Entwicklung: Neben der neuen Bezahlfunktion soll die Anwendung zukünftig auch mit dem Tourismusangebot des Landkreises verzahnt werden.
Der Grund für die Einführung des Dienstes war ein pragmatischer: Die bayrischen Landkreise bekamen das Angebot, die App zunächst kostenlos nutzen und erproben zu können. Dies passte zum Vorhaben, besonders junge Menschen an den ÖPNV heranzuführen. Im Landratsamt war man davon überzeugt, dass es dafür niedrigschwellige Angebote brauchte, die hohen Komfort und Servicequalität boten. Funktionalität und Handling von “Wohin Du Willst” überzeugten.

Mit der App können Benutzer:innen heute adressgenau oder per Klick auf einer Karte ihren gewünschten Abfahrts- und Ankunftsort angegeben und erhalten dann passende Verbindungen. Alle öffentlichen Verkehre sind in die App integriert: Linienbusse, Rufbusse, Regionalbahn und sogar ICEs. Auch kombinierte Wegstrecken, die mit mehreren Verkehrsformen zurückgelegt werden, können angezeigt werden. Mit Internetverbindung zeigt die App entsprechende Echtzeitdaten an – sowohl für Busse in der Region als auch für Umsteigeverbindungen zu Regionalbahn oder ICE. Kommt es zu einer Verspätung, berechnet die App automatisch die neue Ankunftszeit. Zudem können Fahrgäste auf einer Karte verfolgen, wo sich Busse und Bahnen gerade befinden. Regelmäßige Fahrten lassen sich zudem als Favoriten speichern, sodass auch in Funklöchern eine Offline-Fahrplanauskunft möglich ist (wenn auch ohne Echtzeitinformationen). Um so vielen Menschen wie möglich die Nutzung des ÖPNV attraktiver zu machen, wird die App in neun Sprachen angeboten.

In seiner Grundfunktionalität bietet “Wohin du Willst” lediglich eine Auskunft über den Preis der angefragten Strecke. In Cham ist seit März 2021 jedoch auch eine Bezahlfunktion integriert – die gesamte Wegstrecke kann in der App gebucht werden. Weil diese in das Tarifsystem integriert ist, umfasst das auch die Rufbusse. Die Einführung von digitalen Tickets stand im Kreis schon lange auf der Agenda. Eine Software-Neuentwicklung hätte mit Einführungskosten jedoch etwa eine halbe Million Euro verschlungen. Eine technisch simplere Lösung (wie etwa “Handyticket Deutschland”) wurde diskutiert, aber wieder verworfen, weil diese zu wenig nutzerfreundlich gewesen wäre. Schließlich entschied man sich für die Weiterentwicklung von “Wohin Du Willst” als Mittelweg im Rahmen eines Förderprojekts.

Im Landratsamt Cham begreift man die App als ein Grundangebot der Mobilität in einer sehr ländlichen Region. Dennoch nimmt man an, dass dieses hauptsächlich von einer kleinen, digitalaffinen Gruppe genutzt wird, insbesondere jungen Menschen – Nutzungsdaten werden jedoch nicht erhoben oder ausgewertet. Die Buchung der Rufbusse zeigt jedoch zumindest, dass diese etwas häufiger per App (oder Webplattform) angefordert werden, seit diese zur Verfügung steht. Der Anteil der Telefonbuchungen liegt dennoch immer noch bei über 90 Prozent – auch dadurch bedingt, dass die Rufbusse schon seit vielen Jahren im Landkreis etabliert sind und hauptsächlich von älteren Menschen genutzt werden.

Auch das Kaufen eines Tickets mit Bargeld an der Bustür ist im Kreis etabliert – und Gewohnheiten ändern sich nur langsam: in den ersten Monaten nach Einführung der Bezahlfunktion wurde diese nur rund 60 Mal genutzt. Zum Vergleich: auch im benachbarten großstädtischen Regensburg ist das Bezahlen per App mit ca. 5 Prozent der Buchungen eine Nische. Für den Landkreis ist die Neuerung dennoch ein Erfolg: Das Angebot funktioniert in der Praxis, für den Kreis ist wenig Aufwand damit verbunden. Und man sieht es als Aufgabe, für verschiedene (auch kleine) Zielgruppen so viele attraktive Funktionen wie möglich anzubieten. Für den Kreis ist jedoch wichtig, dass die Kund:innen immer auch persönliche Ansprechpersonen haben. Dafür wurde eine Mobilitätszentrale eingerichtet.

Die wesentliche Herausforderung für die Einführung der “Wohin Du Willst” – App war es, die Fahrplan- und Echtzeitdaten aller Verkehrsträger im Kreis im notwendigen Format verfügbar zu machen. In vielen Fällen lagen Daten und Schnittstellen bereits vor, in anderen Fällen mussten sie erst mit dem bayerischen Fahrgastinformationssystem DEFAS kompatibel gemacht werden (insbesondere bei den Rufbussen). Dafür benötigt es lediglich eine XML-Anbindung. Darüber können dann nicht nur verschiedenste Fahrplan-Apps mit Daten versorgt werden (neben “Wohin Du Willst” etwa auch der “Bayernfahrplan” und der “DB Navigator”), sondern auch die Abfahrtsmonitore an Haltestellen und in Fahrzeugen. Entsprechend sieht man beim Landkreis Cham diese Arbeiten nicht als Aufwand an, der durch die Einführung von “Wohin Du Willst” entstanden ist. Die Bereitstellung von Echtzeitdaten und das Anbieten aller Fahrplaninformationen an einem Ort sei etwas, das Kund:innen des ÖPNV heutzutage schlichtweg erwarteten. Entsprechend müssten diese Arbeiten ohnehin früher oder später angegangen werden – ob mit App oder ohne.
Wichtig war es dem Kreis dabei, bereits frühzeitig alle beteiligten Verkehrsträger zu informieren und in den Prozess einzubinden. Eine kleinere Herausforderung bestand anfangs darin, dass Busbetreiber den klassischen Fahrkartenverkauf durch das Fahrpersonal weiterhin bevorzugten, weil hierfür keine zusätzlichen Kosten entstanden, während beim Verkauf via App eine Gebühr an den Zahlungsdienstleister abgetreten werden musste. Das Problem wurde dadurch gelöst, dass der Landkreis die Einnahmendifferenz nunmehr ausgleicht (ein einstelliger Centbetrag pro Ticket).

Im laufenden Betrieb hält sich der Arbeitsaufwand in der Kreisverwaltung in Grenzen – weniger als fünf Personalstunden pro Woche. Die App wurde durch die DB Regio ursprünglich kostenlos zur Verfügung gestellt, inzwischen fallen Hosting-Gebühren an. Diese liegen pro Jahr jedoch noch im vierstelligen Bereich. Auch nach Auslaufen der Fördermittel soll das Angebot weiterbetrieben werden. Die Gesamtkosten im laufenden Projekt schätzt man beim Kreis inklusive Personalaufwand auf 30.000 Euro pro Jahr. Grundlegende und ohnehin notwendige Arbeiten zur Aufbereitung von Fahrplandaten und die Zurverfügungstellung von Echtzeitdaten sind darin jedoch enthalten. Für die Neuentwicklung von Funktionen (Bezahlfunktion und Tourismusanbindung) stehen im Rahmen des Förderprojekts „CHAMOBINA – Mobilität im ländlichen Raum“ insgesamt 160.000 Euro zur Verfügung, 80 Prozent übernimmt der Freistaat Bayern.
Im Vorfeld der Einführung der App wurde aktiv Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Hierfür konnte ein entsprechendes Budget des damaligen Fördermittelgebers genutzt werden. Die Kampagne war hauptsächlich auf Print- und Radiowerbung gestützt, zusätzlich wurden 12 Omnibusse foliert.

Zukünftig soll die “Wohin Du Willst”-App mit der Tourismus-App des Landkreises gekoppelt werden. Das soll neue Nutzer:innen für den ÖPNV gewinnen und nebenbei Kunden der öffentlichen Verkehrsmittel auf kulturelle Angebote hinweisen. Die Tourismus-App ist bereits gut etabliert und verzeichnet im Schnitt 135 Anfragen pro Tag: Menschen können sich über Veranstaltungen und Kulturangebote informieren. Und wer zukünftig beispielsweise nach Aktivitäten in Furth im Wald sucht und auf die dort angebotene Alpakawanderung stößt, wird gleich die entsprechende Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln angeboten bekommen. Wer umgekehrt über “Wohin Du Willst” eine Verbindung nach Furth im Wald sucht, bekommt den Hinweis, dass am selben Tag diese und andere Veranstaltungen angeboten werden.
Die Buchung eines einheitlichen Tickets zur Anreise funktioniert derzeit jedoch nur innerhalb des Verkehrsverbundes. Um besonders Tourist:innen aus umliegenden Metropolen anzulocken, wäre ein einheitliches Ticket auch für ein größeres Einzugsgebiet wünschenswert. Überregionale Tarife scheinen aber erst dann realistisch, wenn die geplanten größeren Verkehrsverbünde kommen – das ist jedoch Landessache.

Informationen Landkreis

Landkreis Cham (Bayern)
Fläche: 1.520 km2
Einwohner:innen: 128.094
84 Einwohner:innen je km²