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Hofer Landbus

Hofer Landbus an einer Bushaltestelle

Hofer Landbus

© Nicole Servatius, GWW

Der Hofer Landbus ist ein flexibler und fahrplanloser Bedarfsverkehr für dünn besiedelte Gebiete, der per App und per Telefon spontan buchbar ist. Dispositionierung und Routenplanung übernimmt eine Software. Ab Beginn wurde ein Gebiet von 120 Quadratkilometern mit 185 Haltestellen abgedeckt, im Januar 2022 wurde das Gebiet um zwei Kommunen erweitert. Im September 2022 wurde in 8 weiteren Kommunen der Betrieb aufgenommen. Geplant ist die Ausweitung auf den gesamten Landkreis bis 2024.

Im ländlichen Nordosten Bayerns, an der Grenze zu Tschechien, Thüringen und Sachsen, fährt seit September 2019 der Hofer Landbus – ein flexibler Bedarfsverkehr per Kleinbus, der ohne feste Route und ohne feste Linien unterwegs ist und sich spontan per App oder auch telefonisch rufen lässt. In einem 157 Quadratkilometer großen Gebiet mit etwa 280 Haltepunkten um die Kommunen Döhlau (3.800 Einwohner), Gattendorf (1.035 Einwohner), Rehau (9.500 Einwohner) und Regnitzlosau (2.300 Einwohner) müssen die Nutzer:innen nur ihren Standort und ihr Ziel angeben. Eine sogenannte Ridepooling-Software berechnet dann, über welche Routen möglichst viele Menschen mit möglichst wenigen Fahrzeugen transportiert werden können. Die Kund:innen werden automatisch informiert, wann und wo sie abgeholt werden und die Fahrer:innen erhalten ebenso automatisch und in Echtzeit die entsprechende Routenplanung auf ein Tablet. Das Angebot ist jeden Tag von 6 bis 23 Uhr verfügbar, die Fahrt kostet derzeit pauschal drei Euro. Kinder und schwerbehinderte Menschen fahren sogar kostenlos. Bei dem geplanten Beitritt des Landkreises Hof zum Verkehrsverbund VGN soll der Hofer LandBus in den VGN-Tarif integriert werden. Bis 2024 soll das Angebot auf den gesamten Landkreis ausgeweitet werden. Hierfür wurden jüngst in 8 neu hinzukommenden Kommunen im Frankenwald, mit insgesamt 26.200 Einwohnern und über 180 Ortsteilen auf einer Fläche von 210 km², 475 Haltestellen für den Hofer LandBus eingerichtet und der Betrieb im September 2022 aufgenommen.

Den Fahrbetrieb organisiert ein lokales Taxiunternehmen. Im ursprünglichen Bedienungsgebiet genügt zu den meisten Zeiten ein einzelnes Fahrzeug, um den Bedarf abzudecken. Für die hinzukommenden Gebiete plant der Landkreis Hof mit je zwei Fahrzeugen. Bei Bedarfsspitzen können weitere Fahrzeuge (und Fahrer:innen) aus dem Fuhrpark des Dienstleisters eingesetzt werden. So können die Auslastung pro Fahrzeug hoch und die anteiligen Personalkosten gering gehalten werden. Die Ridepooling-Software stammt vom Berliner Startup door2door. Diese umfasst die Routenplanung sowie die jeweiligen Apps für Kunden, Fahrpersonal und Verkehrsbetriebe.

Die Nachfrage ist groß. Ohne lange Anlaufphase finden im Startgebiet inzwischen pro Tag zwischen 35 und 40 Fahrten statt, das entspricht 1.100 bis 1.300 Passagieren im Monat, im Juli 2022 wurden erstmalig über 1.500 Passagiere durch den Hofer LandBus an ihr Ziel gebracht. Die App hat etwa 2.500 Nutzende. Das Angebot wird dabei von verschiedensten Personen gebucht, es zeichnet sich kein klarer Trend bezüglich einer bestimmten Nutzergruppe ab: Der Reiterhof wird genauso oft angefahren wie das Altersheim. Die Zahl der Fahrten, bei der tatsächlich mehrere Fahrtwünsche zusammengelegt werden, liegt bei 20 Prozent – das ist verhältnismäßig viel, trotz des vergleichsweise großen und recht dünn besiedelten Bediengebiets (etwa 100 Menschen pro Quadratkilometer). Die gebuchten Fahrstrecken liegen fast immer unter vier Kilometern, die längsten gefahrenen Strecken sind die Leerfahrten zu den jeweiligen Abholpunkten.

Im Landkreis werden bereits seit 1994 mit bedarfsgesteuerten Verkehren wie Linientaxis Erfahrungen gesammelt. Es ist erklärtes Ziel, dass die Menschen im Kreis nicht auf ein eigenes Auto angewiesen sein sollen, um einzukaufen, zum Arzt zu kommen oder am sozialen Leben teilzunehmen. Langfristig soll so der hohe Anteil der Zweit- und Drittfahrzeuge reduziert werden. Schon lange ist man hier überzeugt, dass Linienbusse diese Aufgabe nicht allein erfüllen können.

Der Hofer Landbus in seiner heutigen Form baut auf einer Initiative des Landrates auf, der die Idee in den Kreistag einbrachte. Dieser beschied positiv – das Landratsamt begann mit der Entwicklung des Betriebskonzepts, es folgten Ausschreibungen für Einrichtung und Betrieb der Ridepooling-Software sowie für die Organisation des Fahrbetriebs. Der Hofer Landbus ist ein Angebot des Kreises, der für Planung und Umsetzung zuständig ist. Die Kommunen sind jedoch in den Prozess eingebunden, das Konzept wurde frühzeitig im jeweiligen Gemeinderat vorgestellt. Die Kommunen reichen Haltestellenwünsche beim Kreis ein, manche haben dafür ihre Bürger:innen befragt. Auch nach Betriebsstart können Haltestellen eingefügt werden.

Bis 2024 soll das Angebot im gesamten Landkreis nutzbar sein. Dafür sind acht Fahrzeuge eingeplant, jeweils zwei für vier angegrenzte, sich aber teils überlappende Bediengebiete. Dieses Konzept soll verhindern, dass einzelne Fahrzeuge auf sehr langen Strecken quer durch den Kreis unterwegs sind und entsprechende Leerfahrten entstehen. Um Verbindungen zwischen diesen Gebieten zu ermöglichen, wird auf den bestehenden ÖPNV hingewiesen. In die kreisfreie Stadt Hof sollen ein- und ausbrechende Verkehre ermöglicht werden

Für den landkreisweiten Betrieb wurde die Software neu ausgeschrieben. Die Anforderungen an den zukünftigen Dienstleister: 1) Der Algorithmus muss sicherstellen können, dass der bestehende ÖPNV nicht benachteiligt wird, 2) die Integration des Angebots in den Tarifverbund muss ermöglicht werden und 3) mehrteilige Mobilitätsketten müssen darstellbar sein (z. B. die Verbindung des Hofer Landbusses mit dem Linienverkehr). Der Fahrdienst wurde EU-weit ausgeschrieben. Für die Vorbereitung und Durchführung wurde eine Kanzlei beauftragt.

Gleichzeitig wurde im Rahmen des BMEL-Bundesprogramms “LandVersorgt” gerade eine Machbarkeitsstudie erstellt, die klären soll, ob und wie der Hofer Landbus als Hofer LandLieferBus auch zum Warentransport genutzt werden kann. Die Hoffnung ist, dass Menschen zukünftig Produkte des täglichen Bedarfs in regionalen Läden bestellen und noch am selben Tag geliefert bekommen können. Die Ergebnisse der Studie, die von der Stadt Rehau, der Gemeinde Regnitzslosau, dem Institut für angewandte Logistik der Hochschule Würzburg-Schweinfurt und der Logistik Agentur Oberfranken e.V. erarbeitet wurden, sind positiv beurteilt worden, so dass eine Aufforderung für die Antragstellung einer ersten Umsetzungsphase ergangen ist.

Im Landratsamt sind aktuell 1,5 Stellen für den ÖPNV zuständig, die auch den Hofer LandBus betreuen. Im laufenden Betrieb halten sich die Aufgaben in Grenzen – die beiden Mitarbeiter schätzen den Arbeitsaufwand auf insgesamt höchstens 0,25% VZÄ. Darunter fällt die Steuerung der beiden Dienstleister (die den Großteil der organisatorischen Umsetzung stemmen), die Koordinierung mit den beteiligten Kommunen und Behörden (etwa zu Fragen der Barrierefreiheit) sowie innerhalb der Kreisverwaltung und mit dem zuständigen Kreistagsausschuss.

Viel mehr Arbeit steht in Planungsphasen an, wie vor der Einführung des Angebots und im Zuge der Ausweitung auf den gesamten Kreis. Dann sind die 1,5 Stellen ausgelastet, bei einigen Fragen unterstützt ein örtlicher Dienstleister. Die Mitarbeiter betonen, wie wichtig dieser Aufwand war: Ein gutes Bedienkonzept entsteht nicht im ersten Versuch, sondern muss in einem schrittweisen Prozess mit vielen kleinen Anpassungen reifen. Hierfür sind mehrere Monate vorzusehen. Allein die Vorbereitung der Ausschreibung für die Software ist kleinteilig und anspruchsvoll – hierfür sollte ein Monat Zeit eingeplant werden. Auch die Auswertung und Nachbereitung der Ausschreibung dauert mehrere Wochen. Je nach Gesetzgebung des Bundeslandes kann auch der Genehmigungsprozess der Haltestellen viel Zeit kosten.

Die Presse- und Kommunikationsarbeit wird ebenfalls von den beiden Mitarbeitern geleistet. Große Werbekampagnen waren nicht nötig, das Angebot muss eher erklärt als beworben werden. Entsprechend besteht die laufende Öffentlichkeitsarbeit in erster Linie aus Vor-Ort-Terminen: Die Landkreismitarbeiter stellen das Angebot in Bürgerversammlungen, an Marktständen und in Seniorenkreisen vor und helfen, die App zu installieren. Ist das gelungen, wird das Angebot breit angenommen – auch bei der Telefonhotline ruft selten jemand an.

Seit Beginn des Angebots wird das Feedback der Passagiere eingeholt und zur Verbesserung des Angebots genutzt. Häufig handelt es sich um kleinere Anpassungen der App. Eine größere Neuerung ist die Möglichkeit, Fahrten bis zu sieben Tage im Voraus zu buchen, etwa für Arztbesuche. Diese sind dann garantiert und werden vom Algorithmus bevorzugt behandelt. Die entsprechende Funktion wurde beim Software-Dienstleister zugekauft. Die Möglichkeit der softwaregestützten Vermeidung von Parallelverkehr war Teil der Ausschreibung für den zukünftigen Betrieb. Dabei soll auch der Umstieg vom Hofer Landbus in andere Verkehrsmittel erleichtert werden. Eine Hürde liegt hier jedoch in der Verfügbarkeit von Fahrplan- und Echtzeitdaten für die Taktung: Nicht alle Busunternehmen können diese im entsprechenden Format zugänglich machen. Ein Fernziel ist es, dass für kombinierte Buchungen, die aus einer Teilfahrt mit dem Hofer Landbus und einer Teilfahrt mit dem Linienverkehr bestehen, nur noch ein Ticket notwendig ist.

Ländliche ÖPNV-Angebote sind nicht kostendeckend, nicht anders ist es beim Hofer Landbus. Die Verantwortlichen schätzen den Kostendeckungsgrad – ohne Fördermittel – auf 15 Prozent und sehen dies als angemessene Deckung im Verhältnis zur Angebotsqualität. Bisher konnten jedoch immer Fördermittel eingeworben werden, die auch weiterhin Teil der Finanzierungsstrategie bleiben. Für den landkreisweiten Fahrbetrieb sind künftig pro Bediengebiet und Jahr zwischen 300.000 und 400.000 Euro brutto eingeplant. Fördermittel sind hier noch nicht eingerechnet. Der Betrieb der Ridepooling-Software ist für 70.000 Euro für drei Jahre ausgeschrieben. Die Preise der verschiedenen Anbieter variieren jedoch stark, da sich der Markt noch formiert, realistisch sind ca. 200.000 Euro für drei Jahre. Die Kosten für die Softwarenutzung im bisherigen, deutlich kleineren Gebiet liegen deutlich über dieser Summe. Auch die Einnahmen werden zukünftig etwas sinken: Bislang wird ein Festpreis von drei Euro erhoben, künftig soll der Verbundtarif gelten, von dem ein Teil an den Verkehrsverbund geht. Das ist jedoch politisch gewollt (und Voraussetzung für Landesförderung). Für die Kund:innen werden kürzere Strecken etwas günstiger, längere etwas teurer.

Informationen Landkreis

Landkreis Hof (Bayern)
Fläche: 893 km²
Einwohner:innen: 94.522
106 Einwohner:innen je km²