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Integreat

Zwei Menschen sitzen sich gegenüber. Eine Person zeigt der anderen die App Integreat.

Integreat ist ein digitales Angebot für Bürger:innen mit Flucht- und Migrationshintergrund. Als digitaler Leitfaden bündelt die App alle wichtigen Informationen zu Themen wie Corona, Schule & Kita, Arbeit & Ausbildung, Rechtlichem und Freizeitgestaltung. Sie bietet Tipps und Hinweise, aktuelle Veranstaltungen sowie Ansprechpersonen beim Landkreis. Das erleichtert zugewanderten Menschen das Ankommen im Kreis, hilft Fachkräften bei der Beratung und spart gleichzeitig viel Verwaltungsaufwand.

Der Landkreis Karlsruhe bietet mit Integreat einen digitalen Ratgeber für Bürger:innen mit Flucht- und Migrationshintergrund an: Wie melde ich mein Kind im Kindergarten an? Wo kann ich Deutsch lernen? Welche Corona-Einschränkungen gelten? Wie finde ich Anschluss, wo einen Ausbildungsplatz? Und wie kann ich mich in meiner Stadt oder in meinem Dorf einbringen? Die App bündelt alle wichtigen Informationen, Tipps und Hinweise, aktuelle Veranstaltungen sowie Ansprechpersonen beim Landkreis. Das erleichtert zugewanderten Menschen das Ankommen und Einleben in einem Kreis, der in weiten Teilen ländlich geprägt ist. Mit nur wenigen Klicks können sie zeitlich ganz flexibel und in ihrem eigenen Tempo an die Informationen gelangen, die sie benötigen – ohne wie sonst oft üblich mit einer kaum zu überblickenden Masse an Infomaterial, Flyern, Handreichungen und Formularen konfrontiert zu werden. Gleichzeitig unterstützt die App Fachkräfte in der Beratung. Integreat ist offline nutzbar und kann ohne Smartphone über jeden PC erreicht werden. Die Inhalte sind in 11 Sprachen verfügbar und lassen sich per Vorlesefunktion auch anhören.

Was heute das digitale Angebot Integreat ist, sollte ursprünglich einmal eine einfache Handreichung für migrierte und geflüchtete Menschen werden. Schnell wurde klar, dass dies nur als Online-Plattform sinnvoll umsetzbar war. Zum einen wollte man das Angebot stets aktuell halten, was über analoge Formate nur mit großem Aufwand möglich gewesen wäre.

Der wesentliche Treiber war jedoch, dass eine wirklich umfassende Handreichung für den Kreis kaum selbst zu stemmen gewesen wäre. Da Integration eine Querschnittsaufgabe ist, die fast alle gesellschaftlichen Bereiche umspannt, hätten zahlreiche Stellen eingebunden werden müssen, um Informationen zu liefern: sowohl die meisten Fachbereiche der Kreisverwaltung selbst als auch soziale Einrichtungen und Träger, Beratungsstellen, Integrationsbüros, Jobcenter, Schulen, Kitas, Kindergärten, Volkshochschulen, Ärzte, Krankenhäuser, Vereine bis hin zu zahlreichen Multiplikator:innen. Entsprechend wurde eine Plattform benötigt, auf welche die Kreisverwaltung schnell und unkompliziert Inhalte einstellen, die Organisation vorstellen und auf Angebote und Veranstaltungen hinweisen kann.

Der erste Schritt war die Suche nach geeigneten technische Lösungen. Zentrale Voraussetzung: Diese sollten für den öffentlichen Dienst günstig zu betreiben sein, gemäß dem Grundgedanken, durch den Einsatz von Software Personalaufwand zu sparen. Schnell stieß man auf Integreat. Es handelt sich dabei um eine Open-Source-Lösung, die von der Firma “Tür an Tür – Digitalfabrik” angeboten wird und die bereits auf eine lange Geschichte zurückblickt. 1997 hatte der Augsburger Flüchtlingshilfe-Verein “Tür an Tür” eine Broschüre mit Ansprechpersonen für geflüchtete Menschen erstellen wollen, musste aber feststellen, wie schnell Adressen und Telefonnummern veralten. Um dieses Problem zu lösen, wurde gemeinsam mit Wirtschaftsinformatik-Studierenden der TU München und dem Sozialreferat der Stadt Augsburg die erste Version von Integreat entwickelt. Inzwischen ist die App in Deutschland an über 80 Standorten (Städte und Landkreise) verfügbar.

Die Software basiert auf dem weit verbreiteten und ebenfalls freien Content-Management-System WordPress. Dies erleichtert es den Mitarbeitenden der Verwaltung, besonders aber den vielen externen Akteuren, ohne große technische Vorkenntnisse selbst Inhalte einzupflegen und zu aktualisieren. Die eingestellten Texte und Informationen werden mit einer CC BY 4.0 Lizenz versehen, um sowohl die Übersetzung als auch die Weiterverbreitung der Inhalte zu erleichtern.

Die jährlichen Kosten liegen bei 7.000 Euro im Jahr und umfassen Betrieb und Updates, Hosting sowie technischen Support. Eine Beschränkung der Nutzer beziehungsweise der Zahl der Zugänge existiert nicht. So können auch alle anderen Stellen des Landratsamtes das Angebot nutzen und etwa ihre Angebote in leichter Sprache zur Verfügung stellen. Die Rückmeldungen sind sehr positiv – aus der Verwaltung wie von externen Akteuren wird gemeldet, dass die Plattform viel Zeit und Aufwand spart. Und weil die Plattform stets aktuell gehalten wird und alle wesentlichen Informationen bündelt, wird diese auch in der Beratung gerne eingesetzt. Die rege Nutzung mit über 10.000 Zugriffen pro Monat unterstreicht das.

Während Integreat eine wichtige Funktion einnimmt, geschieht ein Großteil der eigentlichen Integrationsarbeit durch den Einsatz der vielen engagierten Freiwilligen: Jobcoaches, Elternmentor:innen, Lesepat:innen, Gesundheitslots:innen. Die Qualifizierung dieser Ehrenamtlichen ist eine Kernaufgabe der Kreisintegrationsstelle – und auch hier wird die Arbeit digital. Für die Bildungsarbeit wie auch für den Eins-zu-eins-Austausch zwischen Ehrenamtlichen und betreuten Personen setzt man auf eine Open-Source-Videokonferenz-Software wie Big Blue Button.
Was als eine Notlösung gedacht war, zeigt viele Vorteile: In einer ländlichen Region wurde das Integrationsgeschehen barrierefreier – insbesondere Bildungsfachkräfte mit wenig Zeit freuten sich darüber, dass lange Anfahrtswege wegfielen. Ursprünglich hatte man viel Zeit eingeplant, um der Zielgruppe die Vorbehalte vor neuartiger Technik zu nehmen – die Jobcoaches, die geflüchteten Menschen beim Weg in die Ausbildung und ins Berufsleben begleiten, sind mehrheitlich Senior:innen, also keine klassisch online-affine Zielgruppe. Die Sorgen waren aber unbegründet: Von allen Seiten überwog die Freude darüber, in Zeiten von Lockdown und Kontaktbeschränkung ganz einfach (und ohne Auto) mit anderen Menschen in Kontakt treten zu können. Die ursprünglichen aufwändigen Probedurchläufe wurden zu kurzen Technikchecks reduziert. Auch wenn persönlicher Kontakt nie zu ersetzen ist – digitale und hybride Lösungen werden für viele Beteiligte auch zukünftig der Weg der Wahl sein.

Das diese digitalen Angebote so gut funktionieren, liegt an den guten Organisationsstrukturen im Landratsamt. So ist die Kreisintegrationsstelle in thematischen Fachabteilungen organisiert: Bildungskoordination, Ehrenamtskoordination, Integration und Arbeit, Kurskoordination, Gesundheit und Migration, Integrationsplanung, Integrationsbeauftragte. Alle Fachbereiche sind an der Netzwerk- und Gremienarbeit sowie an der gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit beteiligt, haben aber eigene Programme (etwa Sprachmittler:innen, Gesundheitslots:innen oder interkulturelle Elternmentor:innen). Die Fachbereiche melden regelmäßig an die Leitung, welche digitalen Dienste und Tools sinnvoll wären, um die eigene Arbeit besser oder effektiver ausführen zu können.
Die Digitalisierungsmaxime: Die Dinge bloß nicht komplizierter machen, als sie sind. Entsprechend wendet man sich mit diesen Bedarfen zunächst an die interne technische Abteilung, bei der es ein eigenes Digitalisierungsteam gibt. Diese macht sich dann auf die Suche nach technischen Lösungen. Die Praxis zeigt: häufig kann die Stelle die Wunschliste mit geringem Aufwand selbst umsetzen, Budgets für externe Aufträge braucht es selten. So ist das Austausch-Forum „Netzwerk Sprachbildung“ eine Weiterentwicklung der Homepage. Und auch digitale Anmeldungsmöglichkeiten für Veranstaltungen konnten von der hauseigenen IT-Abteilung umgesetzt werden.
Auch andere Abteilungen der Kreisverwaltung haben das Vorgehen übernommen, Digitalisierungsbedarfe zunächst in den Fachabteilungen zu sammeln und dann an die IT-Abteilung weiterzugeben. Inzwischen gibt es sogar ein Ticket-System für entsprechende Anfragen.

Bildquelle: Landkreis Karlsruhe

Im laufenden Betrieb bereiten die digitalen Dienste der Kreisintegrationsstelle wenig Aufwand – die Plattformen laufen, bei technischen Schwierigkeiten ist entweder die eigene IT oder ein externer Dienstleister zuständig. Im Falle von Integreat: An der Koordination, dem Erarbeiten von Texten und der Pflege des Partnernetzwerkes sind zwei Stellen beteiligt, insgesamt schätzt man den Arbeitsaufwand auf etwa 30% VZÄ. Gut investierte Zeit: Man begreift sich als Koordinationseinheit mit der Aufgabe, anderen die Arbeit zu erleichtern – insbesondere kleinen Beratungsstellen, sozialen Trägern, Vereinen und Ehrenamtlichen. Und auf der anderen Seite kann durch die vielen digitalen Angebote des Kreises viel Zeit eingespart werden – allein schon, weil viele Anfahrten zu Austauschrunden, Vernetzungstreffen und anderen Gesprächen entfallen.

Informationen Landkreis

Landkreis Karlsruhe (Baden-Württemberg)
Fläche: 1.085 km²
Einwohner:innen: 446.852
412 Einwohner:innen je km²