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Vereinsplatz Sankt Wendel

Zwei Frauen sitzen sich bei einer Podcast-Aufnahme gegenüber

Im saarländischen Landkreis Sankt Wendel wird Vereinsleben und Ehrenamt digital gefördert – sowohl durch digitale Tools und Plattformen als auch durch die konkrete Unterstützung von Vereinen bei der Digitalisierung.

Im saarländischen Landkreis Sankt Wendel wird das Vereinsleben digital – unterstützt und begleitet von der Koordinierungsstelle Ehrenamt der Kreisverwaltung. Das derzeitige Aushängeschild ist die Webplattform “Vereinsplatz”, die eine Vielzahl digitaler Angebote zusammenführt. Weil nicht jeder Verein im Kreis über eine eigene Website verfügt, können die Organisationen sich und ihre Arbeit dort vorstellen. Das hilft bei der Sichtbarkeit der ehrenamtlichen Angebote, dem Finden von Mitgliedern und Sponsoren sowie bei der Vernetzung untereinander. Ebenso bietet die Plattform einen Veranstaltungskalender sowie eine Wissensdatenbank, in der Hilfreiches zu verschiedensten Fragen der Vereinsarbeit gesammelt ist: FAQs, Erklärvideos, Leitfäden, Musterformulare und Vorlagen.

Vereine haben auch die Möglichkeit, sich in Seminaren und “digitalen Sprechstunden” zu analogen wie digitalen Aspekten des Vereinslebens weiterzubilden. Die Themen richten sich nach den Wünschen der Teilnehmenden, etwa Datenschutz, Social Media, Haftung des Vorstands bei Veranstaltungen, Recht am Bild, GEMA, Versicherung im Verein, Steuern und Finanzen. Die Veranstaltungen werden je nach Themenfeld bewusst in überschaubaren Gruppen durchgeführt und können sowohl in Präsenz als auch hybrid beziehungsweise rein digital durchgeführt werden. Über das “digitale Vereinsbüro” können Vereine auch individuelle Beratung zur Digitalisierung der eigenen Organisation erhalten – von Fragen zur Einrichtung von digitalen Kommunikationsmitteln über Zusammenarbeit via Cloud bis hin zur Unterstützung beim Umgang mit Social Media und der Erstellung von Grafiken. Ebenso wird ein Podcast angeboten, in dem sowohl Ehrenamtler:innen zu Wort kommen, als auch Expert:innen wie Anwält:innen oder Steuerberater:innen hilfreiche Tipps geben. Die App “Dorf-Funk” ist integriert. Über sie können Bürger:innen Hilfe anbieten, Gesuche einstellen oder einfach nur plaudern.

Vom Sportteam über den Erfinderclub bis zum Kaninchenzüchterverein – die Angebote werden breit angenommen, im Portal sind bereits über 250 Vereine verzeichnet. Die Qualifizierungsangebote sind sowohl in Präsenz als auch in den Online-Varianten meist ausgebucht. Grundsätzlich wird hier jedoch der Ansatz Qualität vor Quantität verfolgt, es soll keine Digitalisierung mit der Gießkanne erfolgen. Gleichzeitig bleibt es ein Schwerpunkt des Vorhabens, die Vorteile von Digitalisierung und digitalen Lösungen sichtbar und greifbar zu machen und so für mehr Akzeptanz zu sorgen.
Auch außerhalb der Region ist man auf die gute Arbeit aufmerksam geworden: zwei weitere saarländische Landkreise haben die Plattform bereits übernommen, die Kreisverwaltung Sankt Wendel unterstützt dabei.

Der Erfolg der Vereinsplattform kommt nicht aus dem Nichts – Ehrenamtsarbeit und die entsprechende Koordinierungsstelle genießen im Landkreis Sankt Wendel schon lange hohe Priorität. Entsprechend werden immer wieder Förderprojekte umgesetzt, die aufeinander aufbauen. Derzeit wird das Vorhaben “Vereinsplatz Sankt Wendel” über die Fördermaßnahme “Hauptamt stärkt Ehrenamt” des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung gefördert. Viel von dem, was heute umgesetzt wird, basiert auf den Erfahrungen früherer LEADER-Projekte. Hieraus entstand auch die Motivation, sich erfolgreich beim BMEL-Projekt “Land(auf)schwung” zu bewerben. Die Dorf-Funk-App entstammt dem Vorhaben “Digitale Dörfer” des Fraunhofer IESE.
Hinter dem starken Engagement des Landkreises steht die Überzeugung, dass Ehrenamtsbetreuung kein Selbstzweck ist, sondern der Regionalentwicklung dient. Getragen werden alle Vorhaben von einer entsprechenden und lange gewachsenen Drei-Säulen-Struktur: dem Landkreis, der Wirtschaftsfördergesellschaft (mit ihrem digitalen Kompetenzzentrum) sowie dem Regionalentwicklungsverein KuLanI e.V. (KulturLandschaftsInitiative). Der Erfolg dieser Struktur liegt auch darin begründet, dass die Kommunen des Kreises in allen drei Institutionen vertreten sind. Ohne deren Akzeptanz und Bereitschaft zur Mitwirkung (bis hin zu den Bürgermeister:innen) würde die Digitalisierung des Ehrenamtes nicht funktionieren.

Für die Koordinierung der digitalen (und analogen) Ehrenamtsangebote ist beim Landkreis eine Projektleiterin in Vollzeit angestellt. Die Stelle ist derzeit über Fördermittel finanziert, wird aber auch nach Auslaufen der Förderung verstetigt werden. Bei ihr laufen die Fäden zusammen: Sie ist die Ansprechpartnerin für Vereine und Ehrenamtliche, koordiniert Projektpartner, Kommunen, Jugendbüros, Ämter, steuert die Dienstleister und kümmert sich um die finanzielle Abwicklung. Dazu kommen bundesweite Vernetzungsaufgaben, etwa im Rahmen der Drittmittelprojekte.
Das Stellenvolumen reicht für die anfallenden Aufgaben aus – die Projektleiterin ist jedoch nicht auf sich allein gestellt, sondern in das lebendige Netzwerk der im Kreis ehrenamtlich Tätigen eingebunden. Anders würde diese Arbeit auch gar nicht funktionieren, wie die Stelleninhaberin betont. Für die Betreuung der Dorf-App ist ein engagierter Ruheständler zuständig. Dieser hatte auf der Suche nach einem Ehrenamt beim Landkreis angerufen. Eine wichtige Funktion kommt auch den Vereinslotsen in den Dörfern zu, die das digitale Ökosystem gut kennen, lokal verankert sind und Bedarfe an die Kreisverwaltung weitergeben.

In der Landkreisverwaltung sind die Prioritäten klar: Digitalisierung kann im Bereich des Ehrenamtes viel verändern und neue Möglichkeiten schaffen – dafür müssen allerdings die notwendigen Strukturen passen: Eine Daueraufgabe für ein motiviertes Team, das die Vereinsstrukturen in der Region verinnerlicht hat.

Die technischen und beratenden Aufgaben zu den Digitalisierungsvorhaben im Ehrenamt liegen beim digitalen Kompetenzzentrum der Wirtschaftsfördergesellschaft. Die Aufgabenteilung wird in der Praxis jedoch auch nach Bedarf pragmatisch gehandhabt, hier hilft die jahrelange gewachsene Struktur. Das Aufgabenspektrum umfasst zum einen die Durchführung der Veranstaltungen und Schulungen sowie die individuellen Beratungsleistungen zu Digitalisierungsfragen, auf die Vereine zugreifen können. Auch die Planung und Umsetzung der Öffentlichkeitsarbeit ist hier angesiedelt. Hier wurde ebenfalls eine entsprechende Stelle geschaffen, dazu kommt eine Minijobberin. Die Stellen werden im Projekt als Unterauftrag des Kreises verbucht. Die Wirtschaftsfördergesellschaft vergibt selbst auch Unteraufträge, da dies schneller und einfacher abgewickelt werden kann als der alternative Weg über die Kreisverwaltung.

Die Ehrenamtsplattform wurde nicht von einem etablierten Dienstleister programmiert, sondern von einem jungen Studenten aus dem Kreis. Der Kontakt kam über die Ehrenamtsarbeit zustande, die Idee wurde gemeinsam entwickelt, die Umsetzung erfolgte “zum Studententarif”. Die Zusammenarbeit läuft bis heute und die Kommunikation (etwa zu kleineren Anpassungen und Feature-Wünschen) wird unbürokratisch über Messenger und Sprachnachricht organisiert. Für den Kreis ein Glücksfall: Nicht nur wäre die Beauftragung einer Firma deutlich teurer gewesen, viele heutige Funktionen der Plattform wären möglicherweise nie Realität geworden. Man wäre im Vorfeld nie auf die Idee gekommen, die vielen kreativen Ideen, die in die Entwicklung der Seite eingeflossen sind, in ein Leistungsverzeichnis aufzunehmen. Die meisten Features standen nie auf einer Wunschliste, sondern sind im gemeinsamen kreativen Prozess über die Zeit entstanden.

Die erfolgreiche Digitalisierungsarbeit steht und fällt mit den entsprechenden Stellen. Dennoch müssen Aufwände für die notwendige Veranstaltungstechnik, Software-Lizenzen sowie für die Honorare von Referent:innen einkalkuliert werden. So kostet das derzeitige Projekt (inklusive Personalkosten) etwa 165.000 Euro pro Jahr, 150.000 Euro davon kommen aus Fördermitteln. Die Kosten für die Anschaffung von Technik und Software lagen bei circa 6.000 Euro. Jedoch konnte Technik aus vorangegangenen Projekten genutzt werden. Für die Beteiligten ist aber klar: die konkreten Bedarfe sind selten planbar, sondern entstehen im Tun. Und auch mit weniger Aufwand lassen sich gute Ergebnisse erzielen.

Informationen Landkreis

Landkreis Sankt Wendel (Saarland)
Fläche: 476,1 km²
Einwohner:innen: 87.397
182 Einwohner:innen je km²