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eMedCare

Im Landkreis Emsland und Osnabrück wurde die Zusammenarbeit von Pflege und Hausärzten optimiert und so eine bessere medizinische Versorgung für chronisch erkrankte, hochbetagte und immobile Patienten ermöglicht. Über eine Plattform können Messdaten, Aufgaben und Informationen ausgetauscht werden, ohne dass die Pflegekraft und der Hausarzt zeitgleich kommunizieren müssen.

In den Landkreisen Osnabrück und Emsland soll die Schnittstelle zwischen ärztlicher und pflegerischer Versorgung von hochbetagten und multimorbiden Menschen verbessert werden. Ziel ist es, insbesondere die Hausärzt:innen mit den Pflegeeinrichtungen und -diensten zu vernetzen. Durch den Einsatz von Hard- und Software wird eine datengestützte und asynchrone Kommunikation ermöglicht. Asynchron meint hier, dass keine zeitgleiche Kommunikation notwendig ist, sondern Informationen individuell gesammelt und auf der Plattform abgerufen werden können. Über die Plattform können Ärzt:innen beispielsweise eine Aufgabenliste erstellen und verschiedene Vitalparameter, Schmerzlevel oder Fotos anfordern. Die Pflegekraft vor Ort ist mit einem Rucksack ausgestattet, der neben den Messgeräten auch ein Tablet enthält, über welches die gleiche Plattform aufgerufen werden kann. Die Daten der Messgeräte werden automatisch auf die Plattform übertragen und stehen so allen Beteiligten zur Verfügung. Zusätzlich können die Ärzt:innen individuell pro Patient:in und Parameter Benachrichtigungen aktivieren, welche bei einer Über- bzw. Unterschreitung versendet werden.

Über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren wurden mit einem Budget von 150.000 Euro vier Arztpraxen sowie die zugehörigen Pflegekräfte bei der Behandlung von insgesamt 200 Patient:innen eingebunden. Dabei lag der Fokus auf der Verwendung bestehender Hard- und Software-Angebote, um nicht auf aufwändige Entwicklungsarbeiten angewiesen zu sein.

Für den Landkreis ist der neue Dienst ein weiterer Schritt bei der Digitalisierung der medizinischen Versorgung, insbesondere in der Pflege und Behandlung multimorbider Menschen. Dabei ergeben sich drei Herausforderungen in ländlichen Räumen: die eingeschränkte Nahverkehrslage, die schwierige ärztliche Versorgung sowie die eingeschränkte Mobilität der Patient:innen. Durch die intelligente Vernetzung von Fachpersonal und Messgeräten wird die klassische Komm-Struktur (Komm-Struktur meint die Tatsache, dass Patienten bzw. Hilfesuchende in die ärztliche Praxis kommen müssen) aufgelöst und eine asynchrone Kommunikation von Informationen und Daten zwischen Patient:innen, Pflegepersonal und Ärzt:innen ermöglicht. Das heißt, Daten werden nicht mehr doppelt erhoben, sondern zwischen den verschiedenen Beteiligten zentral ausgetauscht. Die Menschen müssen nicht immer selbst in die Praxis fahren, sondern Informationen und Unterstützung können in telemedizinischen Formaten oder durch digitale Übermittlung erfolgen.

Die Herausforderungen der Versorgung werden in einem Viereck zwischen (Haus)Ärzt:in, Pflegekräften, Angehörigen und Betroffenen gelöst. Die eingesetzte Plattform ermöglicht einen Informationsaustausch und hält so alle Seiten im Bilde, ohne dass ein Telefonat oder eine Videosprechstunde zwingend nötig werden. Über eine Software der „Health Insight Solutions“ mit Sitz in München können Befunde, Hinweise, Beobachtungen und beispielsweise wichtige Medikamente vermerkt werden. Die Informationsbasis für den behandelnden Arzt wird insbesondere dadurch verbessert, dass das Pflegepersonal (das häufig auch in engerem Austausch mit den Angehörigen steht) mehr Kontakt zu den Patienten hat und regelmäßig Daten zu deren Gesundheitszustand übermitteln kann. So müssen Hausbesuche durch die Messungen und Beobachtungen der Pflegekräfte vielleicht gar nicht erst durchgeführt werden, können andererseits besser vorbereitet oder im Zweifelsfall auf der Basis der erhobenen Daten auch präventiv durchgeführt werden. Andersherum kann sich der Pflegedienst einen schnellen Überblick über die Anweisungen des Arztes und dessen Informationen zum Patienten machen, was die Qualität der Pflege erhöht.

Die Informationen über die Patienten können während der Besuche des Pflegepersonals vor allem durch Messwerte verschiedener medizinischer Geräte ergänzt werden. Diese stehen dem Pflegepersonal in einem Rucksack gesammelt zur Verfügung und ermöglichen eine direkte und automatisierte Übertragung der Messwerte an die Software. Der zuständige Hausarzt kann die Vitalwerte des jeweiligen Patienten individuell einstellen und wird nur dann proaktiv benachrichtigt, wenn ein Wert außerhalb des definierten Bereichs liegt. So kann sofort auf kritische Situationen reagiert werden und die Pflegekraft kann unmittelbare Unterstützung des Arztes erhalten. Zusätzlich ermöglicht die automatische Übertragung der Messdaten auch die Erfassung von Werten durch die Betroffenen selbst oder deren Angehörige, wenn die Pflegekraft nicht vor Ort ist.

Am Projekt beteiligt waren insgesamt vier Arztpraxen, die insgesamt ca. 200 Patient:innen betreuten, sowie deren jeweilige Pflegekräfte. Das finanzielle Gesamtvolumen des Projekts belief sich auf ca. 150.000 Euro, wobei nur ein geringer Anteil für die Software, die technischen Geräte und die Projektkoordination ausgegeben wurde. Ein großer Teil der Projektkosten entstand durch zusätzlichen Aufwand bei Ärzt:innen und Pflegekräften, da die Leistungen teils nicht im aktuellen regulatorischen Rahmen abrechenbar waren.

Die technische Lösung im Projekt sollte auf Basis bestehender Angebote entstehen und keine komplette Neuentwicklung erfordern. Als Partner konnte die „Health Insight Solutions“ mit Sitz in München gewonnen werden. Die genutzte Software ist weltweit im Gesundheitsbereich im Einsatz und wurde nur im Bereich des Kommunikationssystems noch an die Anforderungen des Projekts angepasst.

Die Nutzung der Telemedizin wurde sehr gut angenommen, selbst durch die älteren Patient:innen. Auch Ärzt:innen und Pflegedienste zeigten eine hohe Akzeptanz gegenüber den neuen Funktionen und Angeboten, allerdings konnte innerhalb der Projektlaufzeit kein Geschäftsmodell innerhalb des aktuellen regulatorischen Rahmens gefunden werden. Als größter Mehrwert erwiesen sich die neuen asynchronen Kommunikationsmöglichkeiten und die Vernetzung zwischen Pflege und Ärzt:innen. Relevante Aufgaben konnten so von der Pflege übernommen werde, welche oftmals in einer deutlich höheren Frequenz vor Ort war. Das Eingreifen der Ärzt:innen wurde nur notwendig, wenn bestimmte medizinische Parameter dies sinnvoll erschienen ließen. Die Qualität der Kontrolldaten wurde durch eine direkte Übertragung ins System gewährleistet und ermöglichte so gute Entscheidungen und eine Entlastung für Ärzt:innen und Pflegekräfte. Der Informationsfluss wurde erleichtert, Notizen und Hinweise übergreifend transparent gemacht und die Aufmerksamkeit nur dann gebunden, wenn es auch tatsächlich notwendig war.

Nach Abschluss des Projekts wird aktuell daran gearbeitet, das positiv erprobte Konzept in den Regelbetrieb zu überführen. Dafür wird insbesondere an einem geeigneten Geschäftsmodell gearbeitet, das die entstehenden Aufwände auf Seiten der Pflege und des Arztes entsprechend vergütet.

Informationen Landkreise

Landkreis Osnabrück
Fläche: 2.122 km²
Einwohner:innen: 357.343
169 Einwohner:innen je km²

Landkreis Emsland
Fläche: 2.883 km²
Einwohner:innen: 328.930
114 Einwohner:innen je km²